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Corona-Impfgipfel vertagt – Opposition: «Fehlentscheidung»

Weil vorerst nicht mehr mit Astrazeneca geimpft wird, gerät der Zeitplan der Impfkampagne in Gefahr. Dass Bund und Länder ihren Impfgipfel abgesagt haben, stößt deshalb auf wenig Begeisterung.

Nach dem vorläufigen Stopp der Corona-Impfungen mit dem Astrazeneca-Wirkstoff haben Bund und Länder die Entscheidung über einen Impfstart in den Arztpraxen vertagt.

Eine für diesen Mittwoch vorgesehene Telefonkonferenz der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten wird verschoben, bis eine Entscheidung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zum weiteren Vorgehen vorliegt. Das teilte ein Sprecher der Bundesregierung am Dienstag offiziell mit.

Bei den Bund-Länder-Beratungen sollte es vor allem darum gehen, wann auch Hausärzte auf breiter Front mitimpfen. Ursprünglich war dies spätestens für die Woche ab dem 19. April vorgesehen – dies ist nun aber ungewiss. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte – wie mehrere andere europäische Länder – Impfungen mit Astrazeneca als Vorsichtsmaßnahme vorerst gestoppt. Hintergrund waren Berichte über Blutgerinnsel in zeitlichem Zusammenhang mit dem Impfprozess.

Die kurzfristige Verschiebung des Impfgipfels stieß in der Opposition allerdings auf massive Kritik. Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bezeichnete die Entscheidung als kontraproduktiv. «Genau in solch unklaren Situationen braucht es dringend mehr Austausch und Koordination», sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Ähnlich äußerte sich Linken-Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte: «Wann, wenn nicht jetzt, muss über das Impfdebakel gesprochen werden?»

Nach Ansicht der FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus müssten die Bund-Länder-Gespräche noch in dieser Woche stattfinden. Spahns Entscheidung zur Aussetzung der Impfungen habe eine Kettenreaktion ausgelöst, die nun die gesamte Impfkampagne zurückwerfe. «Deshalb wäre gerade jetzt ein Impfgipfel nötig, um mit allen Beteiligten zu beraten.»

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hält einen Zusammenhang zwischen den Impfungen und den gemeldeten Thrombosen (Blutgerinnseln) für sehr wahrscheinlich, plädiert aber trotzdem für eine Fortsetzung der Astrazeneca-Impfungen: «Auf der Grundlage der Zwischenfälle, die wir jetzt kennen, überwiegt natürlich der Nutzen des Impfstoffs, insbesondere bei den Älteren», sagte er im ARD-«Morgenmagazin».

Auch der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen verwies auf die dritte Corona-Welle und bezeichnete den verhängten Impfstopp angesichts geringer Fallzahlen als fahrlässig. «Eine Alternative wäre es, über das überschaubare Risiko ausführlich aufzuklären und weiterhin jene Menschen zu impfen, die eine Impfung mit Astrazeneca möchten», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger verteidigte hingegen den Impfstopp, mahnte aber gleichzeitig zur Eile: «Es bedarf einer schnellen Überprüfung, ob der Impfstoff von Astrazeneca wirklich gefährliche Nebenwirkungen hat», sagte er der «Augsburger Allgemeinen» (Mittwoch). Bei einer langfristigen Aussetzung der Impfungen sei das «Wettrennen» gegen die dritte Welle nicht mehr zu gewinnen.

Unterdessen soll die Europäische Union vom Astrazeneca-Konkurrenten Biontech/Pfizer kurzfristig weitere zehn Millionen Dosen Impfstoff bekommen. Damit seien allein von diesem Hersteller im zweiten Quartal insgesamt 200 Millionen Impfdosen für die 27 EU-Staaten zu erwarten, teilte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen in Brüssel mit.

Die EMA arbeitet an einer erneuerten Bewertung des Astrazeneca-Produkts. Die Sicherheitsexperten wollen am Donnerstag über mögliche weitere Schritte entscheiden. In Deutschland hatte das für die Impfstoff-Sicherheit zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) eine Aussetzung der Impfungen empfohlen. Dessen Präsident Klaus Cichutek erklärte in der ARD, von sieben in Deutschland gemeldeten Fällen mit Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang zur Impfung verliefen drei tödlich.

Mit Blick auf Großbritannien, wo solche Fälle in dem Maß noch nicht bekannt wurden, erklärte er, der Fokus sei bisher auch nicht speziell darauf gerichtet gewesen. «Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger wollen sich darauf verlassen, dass die Impfstoffe, die wir anbieten, sicher sind und wirksam sind.» Zu Auswirkungen auf die Impfkampagne sagte Cichutek: «Wenn es ein bisschen länger dauert, ist das okay.»

Doch es gibt auch Widerspruch: Der Pandemiebeauftragte des Klinikums rechts der Isar in München, Christoph Spinner, sagte der dpa, Sicherheit stehe zwar an oberster Stelle – das Aussetzen könne man aber zumindest hinterfragen. «Die Ereignisse sind sehr selten», sagte er mit Blick auf die Zahl der Vorfälle. «Wir impfen derzeit prioritär Menschen mit Vorerkrankungen.» Diese Patienten hätten teils von vornherein ein gesteigertes Thromboembolie-Risiko.

Der Vorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, hält das Präparat zwar für sicher. «Trotzdem ist es richtig, dass die nationalen Behörden die Verdachtsfälle auf schwere Nebenwirkungen prüfen», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er könne nachvollziehen, dass man nach Vorfällen wie in Dänemark erst einmal prüfe, bevor man weiter impfe. Dänemark hatte als erstes Land Astrazeneca-Impfungen ausgesetzt, nachdem es im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung einen Todesfall gab. Andere Länder zogen nach.

Allerdings sind die Einschätzungen international durchaus unterschiedlich. So ließ sich in Thailand Ministerpräsident Prayut Chan-o-cha am Dienstag mit dem Astrazeneca-Mittel impfen und erklärte: «Es wurde verifiziert, dass es durch den Astrazeneca-Impfstoff keine schlechte Reaktion gibt.»

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