Sachverständiger: mutmaßlicher Lübcke-Mörder schuldfähig

Das Gutachten eines Sachverständigen im Mordfall Lübcke geht davon aus, dass der Angeklagte weitere vergleichbare schwere Straftaten begehe, wenn er die Möglichkeit dazu habe. An der geschilderten Abkehr des mutmaßlichen Mörders von seiner ausländerfeindlichen Gesinnung hat der Gutachter Zweifel.

Der psychiatrische Sachverständige Norbert Leygraf hält den mutmaßlichen Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke für schuldfähig.

In den Gesprächen mit dem Angeklagten Stephan Ernst habe er keine Hinweise auf entsprechende Störungen, eine «forensisch relevante Minderbegabung» oder Einflüsse durch Suchtmittel festgestellt, sagte der 67-jährige Experte am Donnerstag bei der Vorstellung seines Gutachtens vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt. Auch Hinweise für eine Bewusstseinsstörung lägen nicht vor. Er gehe davon aus, dass Ernst weitere vergleichbare schwere Straftaten begehe, wenn er die Möglichkeit dazu habe.

In seinem Gutachten schilderte der Gutachter Ernst als stets höflich und zurückhaltend. Er habe in den insgesamt neunstündigen Evaluierungsgesprächen «ausgesprochen kontrolliert» gewirkt, häufig nach längeren Pausen, dann aber lang ausholend geantwortet. Dabei seien die Angaben oft sehr vage geblieben. Emotionen habe Ernst nur gezeigt, als es um die Beziehung zu seinem Vater ging, den er in seiner Einlassung vor Gericht als gewalttätig und lieblos beschrieben hatte.

Die Darstellung Ernsts, dass er sich von der ausländerfeindlichen Einstellung seiner Jugend gelöst habe, erscheine zweifelhaft, sagte der Experte. Die Bereitschaft, aus dieser Gesinnung heraus schwere Straftaten zu begehen, habe er bereits als Jugendlicher und Heranwachsender unter Beweis gestellt.

Der 47 Jahre alte Deutsche Stephan Ernst soll Lübcke im Juni 2019 auf der Terrasse von dessen Wohnhaus erschossen haben. Außerdem ist Ernsts früherer Arbeitskollege Markus H. wegen Beihilfe angeklagt. Er soll Ernst politisch beeinflusst haben. Die Bundesanwaltschaft geht von einem rechtsextremistischen Motiv für die Tat aus.

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