Wenige Tage nach einem Telefonat von Alexej Nawalny mit einem seiner mutmaßlichen Attentäter wird gegen eine Mitarbeiterin des russischen Regierungskritikers ermittelt.
Die Anwältin Ljubow Sobol sei für 48 Stunden in Untersuchungshaft genommen worden, teilte Nawalnys Team in der Nacht zum Samstag auf Twitter mit. Nach Angaben des russischen Ermittlungskomitees ist gegen die Oppositionelle ein Strafverfahren wegen Hausfriedensbruchs eingeleitet worden. Am Freitag hatten Sicherheitskräfte die Wohnung der 33-Jährigen durchsucht.
Sobol hatte kurz nach der Veröffentlichung des Anrufs das Polizeiaufgebot an der Wohnadresse des mutmaßlichen Mitarbeiters des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB gefilmt. Sie war daraufhin festgenommen und zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie sich – so die offizielle Darstellung – der Anordnung eines Polizisten widersetzt habe.
Sobol werde nun vorgeworfen, gegen die «Unverletzbarkeit des Hauses durch Gewaltanwendung oder Androhung» verstoßen zu haben, weil sie an der Haustür des Agenten geklingelt habe, sagte der Chef von Nawalnys Fonds zur Bekämpfung von Korruption, Iwan Schdanow. Ihr drohe bei Hausfriedensbruch im schlimmsten Fall eine Haftstrafe. Sie gelte in den Verfahren nun als Verdächtige. «Ihr Status habe sich geändert.»
Das Ermittlungskomitee wirft Sobol nach eigenen Angaben vor, gemeinsam mit anderen Personen versucht zu haben, in der Uniform der Verbraucherschutzbehörden die Wohnung einer älteren Frau zu betreten. Sie habe auch vorgetäuscht, eine «verlassene Ehefrau mit Kleinkind» zu sein. So sei Sobol in das Haus gelangt, habe die Wohnung der Frau «gestürmt» und alle Räume mit ihrem Handy gefilmt.
Nawalny kritisierte das Vorgehen der Polizei scharf. «Das ist kein Staat, das ist eine kriminelle Gruppe», sagte er. «Es wird einfach dreist ein Strafverfahren fabriziert.» Die gesamte Ausrüstung in Sobols Wohnung sei von den Sicherheitskräften beschlagnahmt worden, selbst das Handy der sieben Jahre alten Tochter, schrieb Nawalny. Das Mädchen und der Ehemann hätten die Wohnung verlassen dürfen. Der Kreml wolle Nawalny brechen, kommentierte der Radiosender Echo Moskwy die neuen Entwicklungen.
Der 44 Jahre alte Nawalny hält sich nach seiner schweren Vergiftung zu einer Reha-Maßnahme in Deutschland auf. Er macht für den Giftanschlag mit einem chemischen Kampfstoff der Nowitschok-Gruppe ein unter dem Befehl von Kremlchef Wladimir Putin agierendes «Killerkommando» des FSB verantwortlich. Nawalny hatte vor wenigen Tagen den Mitschnitt eines Telefonats mit einem mutmaßlichen Agenten veröffentlicht. Darin erzählt der Mann, dass das Gift in der Unterhose Nawalnys angebracht worden sei.
Zu der Vergiftung hatten Ärzte der Berliner Charité in der Fachzeitschrift «The Lancet» einen medizinischen Bericht veröffentlicht. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte am Freitag der Agentur Interfax zufolge: «Wir lesen keine medizinischen Veröffentlichungen.» Russland warte weiterhin auf Beweise. Der Kreml hatte mehrfach eine Verwicklung in den Fall zurückgewiesen.
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