Ungeachtet internationaler Appelle, Sanktionen und Großdemonstrationen geht die neue Militärjunta in Myanmar weiter hart gegen die entmachtete zivile Regierung vor.
Am späten Mittwochabend seien mindestens sechs hochrangige Politiker festgenommen worden, darunter ein enger Berater der abgesetzten Regierungschefin Aung San Suu Kyi, berichtete die Zeitung «The Irrawaddy» am Donnerstag. Derweil werden Forderungen an die deutsche Regierung lauter, dem Beispiel der USA zu folgen und Sanktionen gegen das Regime in dem südostasiatischen Land zu verhängen.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) appellierte an Bundesaußenminister Heiko Maas, die demokratischen Kräfte in Myanmar «mit allen verfügbaren Mitteln» zu unterstützen. Dazu müsse er dem Beispiel von US-Präsident Joe Biden folgen und Sanktionen ins Spiel bringen – auch auf europäischer Ebene. «Das Militär muss zurück in die Kasernen, die putschenden Generäle müssen entmachtet und sanktioniert werden», sagte Jasna Causevic, GfbV-Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung. Andernfalls drohe eine Wiederholung der Ereignisse von 1988, als das Militär Proteste brutal niedergeschlagen und Tausende Menschen getötet hatte.
Biden hatte am Mittwoch Strafmaßnahmen angekündigt, darunter auch gegen Familienmitglieder der Militärs und gegen Unternehmen, die mit der Armee verbunden sind. «Das Militär muss die Macht, die es an sich gerissen hat, abgeben», sagte er im Weißen Haus.
Das Militär hatte sich in der Nacht zum 1. Februar zurück an die Macht geputscht und die frühere Freiheitsikone Suu Kyi (75) sowie zahlreiche weitere Politiker in Gewahrsam genommen. Die Junta hat einen einjährigen Ausnahmezustand verhängt und ein neues Kabinett ernannt. Als offiziellen Grund gab die Armee Wahlbetrug bei der Parlamentswahl vom November an, die die NLD klar gewonnen hatte.
Die Demonstrationen in Myanmar dauerten auch am Donnerstag unvermindert an. Es war bereits der sechste Tag in Folge, an dem Zehntausende Menschen die Wiedereinsetzung der zivilen Regierung und die Rückkehr zu demokratischen Reformen forderten. Eine größere Kundgebung gab es vor der chinesischen Botschaft in Rangun (offiziell heute Yangon). Die Teilnehmer warfen der Führung in Peking vor, die Junta zu unterstützen. «Die Welt steht hinter uns, aber China steht hinter dem Militärregime», war auf einem Plakat zu lesen.
In der nördlichen Stadt Mandalay gingen bunt gekleidete Künstler auf die Straße, auch Bankangestellte und Mitarbeiter der Bahn nahmen an Demos teil. Zudem schlossen sich Berichten in sozialen Netzwerken zufolge auch zahlreiche Mitglieder ethnischer Minderheiten in dem Vielvölkerstaat den Protesten an. Zunächst blieb es friedlich.
Am Dienstag hatte die Polizei mit Wasserwerfern und Gummikugeln versucht, Demonstranten auseinanderzutreiben. Dabei wurde auch scharfe Munition benutzt, eine junge Frau ist in kritischem Zustand. Amnesty International teilte mit, das Bild- und Videomaterial von den Schüssen untersucht zu haben. Demnach habe ein Polizist mit einer in Myanmar hergestellten Variante einer Maschinenpistole auf die Studentin geschossen. «Das Ausmaß der Gewalt, dessen sich die Sicherheitskräfte in Myanmar bedienten, ist abscheulich», sagte Theresa Bergmann, Asien-Expertin der Menschenrechtsorganisation. Sie forderte eine unabhängige Untersuchung.
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