Domingo sang – und alle kamen

Es schien, als war halb Budapest auf den Beinen: Startenor (und jüngst -bariton) Plácido Domingo sang in der László-Papp-Arena in Budapest, und schon Stunden vor dem Konzertbeginn war der Andrang enorm.

Plácido Domingo in der László-Papp-Arena in Budapest
Plácido Domingo in der László-Papp-Arena in Budapest

Das ursprünglich auf dem Platz vor der Hl.-Stephan-Basilika geplante Gratis-Konzert war wegen enormen Interesses und ungünstiger Wetterprognosen kurzfristig in die Sportarena verlegt worden. Bereit Stunden zuvor bildeten sich Menschenschlangen bis zur Metro-Station und warteten im strömenden Regen auf eine der begehrten Gratiskarten. Die 15.000 Menschen fassende Halle war bald bis auf den letzten Platz gefüllt, und dennoch blieben draußen noch rund 2.000 weniger Glückliche zurück, die kein Ticket mehr ergattern hatten können. Die gute Nachricht für alle, die es nicht zum Konzert geschafft haben: Es wurde aufgezeichnet und wird möglicherweise schon bald landesweit im Fernsehen übertragen.

v. l. n. r.: Plácido Domingo, Micaëla Oeste, Dirigent Eugene Kohn, Angel Blue
v. l. n. r.: Plácido Domingo, Micaëla Oeste, Dirigent Eugene Kohn,
Angel Blue

Der 75-jährige Spanier ist nach mehr als fünf Jahrzehnten Opernkarriere immer noch ein enormer Publikumsmagnet. Zusammen mit den Sopranistinnen Angel Blue (USA), Micaёla Oeste (Deutschland) and Polina Pasztircsák (Ungarn) und dem jungen ungarischen Geigentalent Gyula Váradi begeisterte der Star die Zuhörer mit einem Reigen aus Opernarien, Duetten, Zarzuela-, Operetten- und Musicalmelodien. Die beiden Letzteren erhielten natürlich vom Heimatpublikum einen Sonderapplaus. Der junge Geiger Gyula Váradi mit der feinfühlig und virtuos dargebrachten „Meditation“ aus Jules Massenets Oper „Thais“ (dirigiert von Plácido Domingo!) bot höchstes Niveau, und die bezaubernde Polina Pasztircsák überzeugte mit ihrem glockenhellen und in den Höhen sehr sicheren Sopran. Das ungarische Staatsopernorchester unter der Leitung von Eugene Kohn sorgte für erstklassige Begleitung der Solisten.

Polina Pasztircsák
Polina Pasztircsák

Domingo zeigte sich in unglaublicher Form! Die Stimme des Weltstars, der im Jänner 2016 seinen, wie er sagte, „3 x 25. Geburtstag“ gefeiert hatte, hat nichts von ihrer goldenen Strahlkraft verloren. Sie ist naturgemäß dunkler geworden, verfügt nicht mehr über die jugendliche Elastizität, aber sie ist nach wie vor erstaunlich kraftvoll und voller Klangnuancen. Seine technische Virtuosität und seine langjährige Erfahrung lassen einen beim Zuhören das Geburtsjahr auf dem Taufschein völlig vergessen! Ob er ein ergreifendes „Pura siccome un angelo“ (aus Verdis „La Traviata“) intoniert oder mit der zierlichen Michaela Oeste das beschwingte Duett „A víg özvegy – Lippen schweigen“ (aus Lehars „Die lustige Witwe“) humorvoll zum Besten gibt – die Stimme nimmt jedes Mal eine andere Färbung ein, umschmeichelt und verwöhnt das Ohr trotz der bisweilen schlechten Akustik in der Halle. Das schauspielerische Talent des Bühnenprofis tat ein Übriges, das Publikum geriet schließlich gegen Ende der fast zweistündigen Vorstellung völlig aus dem Häuschen. Rhythmisches Klatschen und frenetischer Jubel wurden von den Solisten mit mehreren Zugaben belohnt. Als besondere Überraschung verabschiedete sich der Weltstar mit einer musikalischen Liebeserklärung an das Gastgeberland: Er sang mit Polina Pasztircsák auf Ungarisch (!) das Duett „Heller Jubel – Weißt du es noch“ („Emlékszel még…“) aus Emmerich Kálmáns „Csardasfürstin“.

v. l. n. r.: Tamas Bator von der Konzertorganisation, Csaba Káel, Generaldirektor des Müpa Budapest, dann Eugene Kohn, hinter ihm Nicholas Marko, Plácido Domingos Sekretär in Amerika, ein gebürtiger Ungar, dann Plácido Domingo, dahinter rechts Zsolt Magony von der Konzertorganisation, ganz rechts Polina Pasztircsák.
v. l. n. r.: Tamas Bator von der Konzertorganisation, Csaba Káel, Generaldirektor des Müpa Budapest, dann Eugene Kohn, hinter ihm Nicholas Marko, Plácido Domingos Sekretär in Amerika, ein gebürtiger Ungar, dann Plácido Domingo, dahinter rechts Zsolt Magony von der Konzertorganisation, ganz rechts Polina Pasztircsák.

Kein Wunder, dass sich die Zusehermassen schließlich glücklich und begeistert auf den Heimweg machten.

Gabriele Eder