… einer sehr traurigen und äußerst schlimmen Zeit. Am 20. Oktober 1955, also vor genau 70 Jahren, kam in meiner niederbayerischen Heimatstadt der letzte Kriegsheimkehrer Josef P. aus russischer Gefangenschaft endlich nach Hause. Zehn lange Jahre war er in Sibirien bei Eiseskälte, Hunger und ohne Hoffnung einer von vielen tausenden Gefangenen seinem tragischen Los ausgesetzt. Aber er kam frei, nach zehn Jahren, als letzter.

Seine Heimkehr hatte die Heimatstadt in einen Freudentaumel versetzt. Ein großer Festzug mit Pauken und Trompeten empfing den sehr beliebten Mann am Bahnhof und begleitete ihn bis zu seinem mit Blumen geschmückten Haus. Es war ein Freudentag für alle, hunderte Einwohner säumten die Straßen und jubelten ihm zu. Ein Freudentag vor allem aber für seine Familie, die die Hoffnung auf eine gesunde Wiederkehr schon lange vorher aufgegeben hatte. Josef P. war ein ruhiger Mann mit einem großen Talent, das ihm geholfen hatte, die langen finsteren Jahre in Sibirien zu überstehen. Er konnte schnitzen und das mit Bravour und Leidenschaft. Nach seiner Heimkehr widmete er sich voll und ganz diesem schönen Hobby. Es machte sich bezahlt. Ob Madonnen, Putten oder Wurzelsepp, Käufer gab es genug. Einer davon waren meine Eltern, sie schenkten mir eine Madonna zum 18. Geburtstag. Das schöne Schnitzwerk steht heute noch auf der Kommode im Schlafzimmer, seit 1974. Josef P. arbeitete bis zu seinem Tod 1980 Tag für Tag in seiner Werkstatt und schuf viele Schnitzereien, so schön wie meine Gottesmutter mit dem Jesuskind auf dem Arm. Geblieben ist die Erinnerung an einen Mann, der vieles erlebt hat, im guten, aber leider auch sehr schlechten Sinn.
Bis bald,
Ihre Eva
